Deutsch-Projekte

Effis Traum von „gleich und gleich“

„Theater Moment.“ verblüfft mit Theodor Fontanes Ehebruchsklassiker „Effi Briest“ am Gabelsberger-Gymnasium Mainburg

 

Szene: Gieshübler (gespielt von Stephan Neumüller) muss Effis Liebesbriefe lesen – Innstetten (gespielt von Dennis Tschernik) suhlt sich in gekränkter Eitelkeit

 

Die gerade einmal 17-jährige Effi Briest träumt beim Schaukeln von „gleich und gleich und Zärtlichkeit und Liebe“ in der Ehe und wird stattdessen über Nacht vom mehr als doppelt so alten Landrat Innstetten als Trophäe „eingekauft“. Er möchte sie v.a. deswegen haben, weil er seinerzeit, als junger Mann und noch ohne gesellschaftliche Stellung, Effis Mutter nicht bekommen konnte. Effi gleich oder auch nur mit Achtung zu behandeln liegt ihm fern, da er vor lauter Karrierestreben gar keine Zeit für sie hat. Vielmehr versucht er das noch halbe Kind schon bald über Spukgeschichten psychisch zu destabilisieren und in einem Gefängnis der Angst gefügig zu halten. So weit, so nahe am Original. Der Ehebruch der allmählich erwachsen werdenden Frau erscheint unvermeidlich. Die Neugier der Schülerinnen und Schüler der Q11 war geweckt.

Doch wie das Unvermeidliche zeitgemäß umsetzen? Wie hat Lisa Bales – die maßgeblich für die Bühnenadaption verantwortlich zeichnete und die auch die blutjunge Effi bravourös spielte – die selbst im Roman nur angedeutete Affäre zwischen Effi und Major Crampas auf die Bühne gebracht? Und noch viel spannender: Wie das schließlich stattfindende weltbekannte Duell zwischen Innstetten und Crampas? Ersteres gelang den Schauspielern in beeindruckender Manier durch einen Ausdruckstanz zwischen Effi und Crampas, der die Sehnsucht Effis nach Zärtlichkeit und Liebe mit ihren Skrupeln vor dem drohenden Ehebruch perfekt verschmolz, das Zweite durch die Uminterpretation eines streng regulierten Ehrenhandels in den Mord des Majors durch Innstetten: Dieser schießt seinen Widersacher einfach über den Haufen, anstatt die Signale der Sekundanten abzuwarten! Diese subtile Akzentverschiebung vom neurotischen Zwangscharakter Innstetten bei Fontane, der sich den gesellschaftlichen Konventionen auch dann verpflichtet glaubt und sich duelliert, wenngleich er gar kein Bedürfnis nach Rache hat, hin zum krankhaft selbstgefälligen Sadisten, der die persönliche Schmach nicht verkraften kann und der Spaß daran zu haben scheint zu morden und Effi gesellschaftlich zu vernichten, ist die besondere Leistung dieser Inszenierung und der Grund dafür, dass das alles noch verstanden werden kann. Dennis Tschernik als Innstetten leistet Herausragendes, wenn er – siehe das Szenenbild oben – voll von herablassender Selbstgefälligkeit seinem späteren Sekundanten bei dem Ehrenhandel gleich mehrere Liebesbriefe aus der Korrespondenz zwischen Effi und Crampas auftischt, seine gekränkte Eitelkeit ist dabei geradezu mit Händen zu greifen. Aus einer dezenten Kritik am Duellwesen und der arrangierten Ehe bei Fontane ist ein schockierendes Eifersuchtsdrama geworden, wie es auch heute noch allgegenwärtig ist. Bleibt Fontanes Analyse der Gründe des Scheiterns einer Beziehung: Fehlende Liebe und Romantik, eine zu große Ungleichheit der Partner, eine zu Einsamkeit und Untätigkeit verurteilte Frau, Eitelkeit und Fehlbarkeit des Menschen! Der oft folgende Seitensprung ist und bleibt der häufigste Trennungsgrund; mit und ohne Duellwesen, in und außerhalb der Ehe. Das ist uns wohlbekannt. Bedrückend bleibt es allemal.

Der Realist Fontane hat gezeigt, wie schwer verzeihen ist und doch oft auch wie notwendig. Schuld ist selten einer allein. Effi war es sicher nicht. Dem Theater Moment. ist es gelungen, diese Erkenntnis zeitgemäß und für ein junges Publikum auf die Bühne zu bringen. Großer Applaus!

 

Text und Bild: Erwin Fiesel