Latein

Warum Latein als 2. Fremdsprache?

 -eine Information für die Eltern-

 

Liebe Eltern!

Sie sind dabei, Grundsteine für die weitere Ausbildung Ihres Kindes zu legen. Selbstverständlich haben Sie vor allem die Zweckmäßigkeit für die Lebens- und Berufspraxis im Auge und wollen Ihrem Kind sinnvolle Voraussetzungen für Studiengänge und ein nützliches Grund- und Allgemeinwissen für etliche Berufszweige ermöglichen.

Bei Ihrer verantwortungsvollen Entscheidung für Ihr Kind möchte Ihnen die Fachschaft Latein zur Seite stehen und Ihnen Gründe nennen, die für Latein als 2. Fremdsprache sprechen. Eines wollen wir dabei ganz deutlich unterstreichen: Wir sehen uns nicht in Konkurrenz zum Französischen.

Latein weiß sich eingebunden in den Fächerkanon des Gymnasiums. Pro Latein darf nicht contra moderne Fremdsprache bedeuten. Und in der Tat, wer sich in der 6. Klasse für Latein entscheidet, hält sich den sprachlichen Zweig offen, d.h. die Wahl von Spanisch in der 8. Jgst.. Nur gemeinsam mit allen anderen gymnasialen Fächern kann der Lateinunterricht einen unentbehrlichen und spezifischen Beitrag zur europäischen Bildung leisten. Das Wohl Ihres Kindes liegt uns allen am Herzen!

 

Gründe, die für das Erlernen des Lateinischen sprechen:

 

Der praktische Nutzen

  1. Das Latinum ist Zulassungsvoraussetzung für zahlreiche Studienfächer wie (z.B.) Deutsch, Geschichte, Englisch, Französisch. Nützlich bis erforderlich sind möglichst fundierte Lateinkenntnisse für zahlreiche weitere Studiengänge wie (z.B.) Pharmazie, Medizin, Philosophie, Theologie, Rechtswissenschaften. Der spätere Erwerb von Lateinkenntnissen bzw. des Latinums kann einen Zeitverlust an der Universität von mindestens zwei Semestern bedeuten.
  2. Gerade im Hinblick auf Europa – nicht zu vergessen Osteuropa – und eine weltweite Globalisierung gilt festzuhalten: Latein ist die „Muttersprache“ der romanischen Sprachen. Die Verwandtschaft der europäischen Sprachen liegt darin begründet, dass die Mutter ihre Töchter nach wie vor ganz erheblich prägt. Latein bildet deshalb noch heute ein solides Fundament, das den Zugang zum <Sprachen-Markt> erleichtert, dem fast 600 Millionen Menschen angehören. Die Ursprungssprache Latein zu kennen, ist ein direkterer, natürlicherer und auch ökonomischerer Einstieg in das Lernen einer Tochtersprache, als aus der Kenntnis einer Tochtersprache heraus eine zweite Tochtersprache zu erlernen.
  3. Auch die Betrachtung des Englisch-Wortschatzes bringt Erstaunliches zutage. Je anspruchsvoller ein Text ist, umso höher ist der Prozentsatz lateinisch-stämmiger Wörter. Je nach Textsorte sind bis zu 80% des englischen Wortmaterials direkt oder indirekt aus dem Lateinischen übernommen.
  4. Latein bietet in allen europäischen Sprachen eine hervorragende Hilfe zum Verstehen von Lehn- und Fremdwörtern und ist weltweit der Grundstock für die wissenschaftliche und technische Begriffswelt. Nicht nur in Medizin, Pharmazie und Biologie ist Latein als Wissenschaftssprache eindrucksvoll präsent.
  5. Latein fördert in besonderem Maße das muttersprachliche Ausdrucksvermögen. Es legt großen Wert auf sprachliche Genauigkeit und Kreativität und wirkt so gerade in unserer Zeit einer sprachlichen Verödung entgegen, die durch übermäßigen Konsum von Comics, soap operas, Talkshows und Trivial-Spielfilmen hervorgerufen wird.
  6. Lateinschüler wissen, wie Sprache funktioniert. Im Gegensatz zu den Kommunikationssprachen Englisch, Französisch oder Spanisch, in denen eben Wert auf die Verständigung gelegt wird, handelt es sich bei Latein um eine Reflexionssprache, die ihren Fokus auf das Verständnis richtet. Weder in den Naturwissenschaften noch in den Sozialwissenschaften begnügt man sich damit, Tatbestände festzustellen, sondern man fragt ganz selbstverständlich nach den Gründen. Der Lateinunterricht legt größten Wert auf die Grammatik als Rückgrat jeder Sprache. Der Formenreichtum reduziert sich gewaltig, wenn man das Prinzip erkannt hat, das Baukastenprinzip, ein synthetisches Verfahren, dessen Logik man schnell durchschaut.

 

Latein als Zugang zu den geistigen Grundlagen der heutigen Welt

  1. Wer Latein lernt, nimmt intensiv teil an der „klassischen Bildung“. Lateinische Literatur fördert das Geschichtsbewusstsein, weckt ein Gespür für kulturelle Kontinuität und bietet Hilfen bei Erkenntnisprozessen und Lösungsansätze für existentielle Probleme.
  2. Der Schüler erhält Basiswissen über Geschichte und Religion, Verfassung und Recht, griechische Mythologie und Philosophie, berühmte Politiker und Heerführer auf der einen, Sklaven, Verfolgte und Nonkonformisten auf der anderen Seite, Technik, Architektur, die Stellung der Frau in der römischen Gesellschaft, das Freizeit- und Umweltverhalten, die Arbeitswelt und die Wirtschaft der Römer. Er erfährt die griechisch-römische Antike als das geschichtliche und geistige Fundament, auf dem Europa gründet.

 

Latein als aktuelles Gegenprogramm zum täglichen Medienkonsum

  1. Durch seine Eigenart fordert und fördert Latein in besonderem Maße Klarheit und Disziplin im Denken und folgende Arbeitshaltungen: Gründlichkeit und Ausdauer, Detailgenauigkeit und den Blick für Zusammenhänge, Umsicht und Folgerichtigkeit im Erarbeitungsprozess. Diese Arbeitshaltungen sind Schlüsselqualifikationen in Wirtschaft, Technik, Wissenschaft, Verwaltung und akademischen Service-Berufen und Stützen für die Mündigkeit und Selbstbestimmung des einzelnen Menschen.
  2. Genaues Hinschauen, aufmerksames, langsames Lesen und damit gründliche und kritische Aufnahme von Informationen ist als Gegengewicht zur unkritischen Berieselungsmentalität hochaktuell. Wir leben in einer komplizierten Welt mit Technologien, bei denen Oberflächlichkeit, Schlamperei und Konzentrationsmangel gefährliche Folgen haben können. Wir leben in einer Zeit so gewaltiger Umwälzungen, dass wir alles daran setzen sollten, bei der heranwachsenden Generation problemlösendes Denken, Abwägen von Alternativen, Kreativität und Frustrationstoleranz auch angesichts größerer Herausforderungen zu trainieren. Das ist die Antwort auf die immer wieder gestellte Frage nach dem gesellschaftlichen Nutzen einer Disziplin, die keinen unmittelbaren Beitrag zur Produktions- und Arbeitswelt leistet.

 

Latein – eine zeitgemäße Antwort auf die Herausforderung der Neuen Medien

  1. Der Umgang mit den Neuen Medien in unserer Zeit ist unumgänglich. Die Arbeit am und mit dem PC ist Voraussetzung in allen Bereichen. Doch dies birgt, wie jeder weiß, Gefahren in sich. Neben dem Informatikunterricht  kann Latein hier als Korrektiv unschätzbare Dienste leisten.
  2. Wer beim Übersetzen nur mal flüchtig hinschaut und gewissermaßen auf den nächsten Schritt wartet, wird enttäuscht. Weiterzappen angesichts der drohenden Anstrengung gibt es nicht; nur geduldige Lösungsversuche führen zum Ziel. Disziplin ist gefordert, nicht Disziplinierung; keine Einübung in obrigkeitsstaatliches Denken, sondern Selbstdisziplin und Selbstbehauptungswille gegenüber einer anspruchsvollen Forderung. Behutsames Gegensteuern ist gefragt!
  3. Wichtiger noch scheint, einer weiteren Versuchung durch die Neuen Medien so rechtzeitig wie möglich entgegenzutreten: dem fatalen Eindruck der Folgenlosigkeit des eigenen Handelns. Eine Plastik-Maus in meiner Hand gaukelt mir ungeheuren Einfluss vor, wiegt mich in der Illusion, Zustände jederzeit verändern oder aufheben zu können – auch Zustände, die ich selbst geschaffen habe. In der realen Welt aber muss ich mich arrangieren, mit anderen Menschen, die ich nicht per Mausklick aus meinem Blickfeld entfernen kann. Ich muss mich den Folgen meines Handelns stellen. Latein ist da unumstritten ein besonderes Korrektivangebot zum Mausklick-Effekt des Unverbindlichen und Folgenlosen. Lernpausen, Durchhänger bei der Arbeitshaltung und Nachlässigkeit werden ziemlich unmittelbar quittiert. Latein ist ein konsequentes Fach, insofern es rasch Konsequenzen aufzeigt, im Positiven wie im Negativen. Latein wiegt nicht in falscher Sicherheit, sondern zeigt Defizite in dem Augenblick auf, da sie sich zu erkennen geben.

 

Im Rahmen einer gesamteuropäischen Bildung ist die Entscheidung für Latein keine Absage an das Erlernen moderner Fremdsprachen, sondern markiert vielmehr die wertvolle Grundsteinlegung in die Sprach- und Kulturwelt im Europa von heute und morgen.

 

Wer also die Antike kennenlernt,

versteht die Gegenwart

und nimmt die Zukunft in die Hand!