Akos Doma liest am GGM
Was wünscht man mehr?
Vielfach ausgezeichneter Autor erzählt die Geschichte seiner Flucht zu Zeiten des Kalten Krieges – ein steiniger „Weg der Wünsche“!
Dem mit seiner Familie in Eichstätt lebenden Schriftsteller Akos Doma ist mit seinem dritten Roman ein bundesweit anerkannter Wurf gelungen: „Der Weg der Wünsche“ (2016) zeichnet dabei die abenteuerliche Flucht seiner eigenen Familie Anfang der 70er Jahre aus dem kommunistischen Ungarn in den Westen nach, ein steiniger Weg, der über viele Umwege und Abgründe schließlich in Deutschland ein versöhnliches Ende findet. Stoff für große Literatur, von Herrn Doma in einer überaus provokanten Weise zugespitzt und für die Schülerinnen und Schüler der Q12 meisterlich vorgelesen. Das macht Neugierde auf mehr!
Der vielschichtige Roman des Künstlers erfordert einige Kenntnisse zur jüngeren Geschichte, insbesondere zum Kalten Krieg, die Akos Doma mit wenigen einleitenden Fragen an sein interessiertes Publikum auffrischte. Und schon war man mit dabei auf der Flucht vor den Repressionen, die allen auferlegt waren, die gegen die kommunistische Staatsführung aufbegehrten; zunächst über das neutrale Jugoslawien, in dem auch aus dem Ostblock Urlaub gemacht werden konnte, sodann – nach mehreren vergeblichen Anläufen – bei Triest nach Italien. Die Schikanen bei den vergeblichen Versuchen des Grenzübertritts wurden dabei so eindringlich geschildert, dass man vergaß nur Zuhörer einer Lesung zu sein und sich mit vor Ort wähnte. Stets blieben die gezeichneten Bilder glaubwürdig, insbesondere auch da, wo der Schriftsteller absichtlich zuspitzt und dramatisiert, um zu zeigen, dass niemand leichtfertig seine Heimat aufgibt. Trotzdem würde man sich wünschen, der Weg in die politische Freiheit wäre nicht gar so steinig gewesen, und die Abgründe, die auf der Flucht durchschritten werden mussten, nicht gar so tief; andererseits weiß man, dass auch diese Extreme noch möglich sind. Immerhin bleibt das Unaussprechliche meist ungesagt und sein Stachel wird in poetischen Bildern und knappen Andeutungen etwas abgemildert. Zudem war Herr Doma Profi genug, für das jugendliche Publikum den Fokus v.a. auf die vergleichsweise glimpflich verlaufende Romanze der knapp 16-jährigen Tochter der Familie – Borbála – zu richten, auf die die kommunistische Geheimpolizei Ungarns den Don Juan Attila angesetzt hat, um sie nach Ungarn zurückzulocken und so auch die ganze Familie zur Rückkehr zu zwingen. Deren Naivität ließ besonders hellhörig werden, war sie doch einerseits durch die Lektüre von Tolstois „Anna Karenina“ gewarnt, und ließ sich dennoch verführen. Dass hier etwas nicht stimmte, war mit Händen zu greifen, trotzdem brauchte Borbála die Hilfe eines Talismans, um zur Besinnung zu kommen und in den heilenden Schoß der Familie zurückzukehren.
Der Weg der Wünsche ist keine leichte Kost und alles andere als seichte Unterhaltung, wie der Titel suggerieren könnte: Er verknüpft zwei Erzählstränge, die sich wechselseitig erhellen und bespiegeln und steckt auch sonst voller Anspielungen und Symbole. Wer etwa wissen will, warum man nie durch ein Schlüsselloch gucken sollte, muss länger lesen – oder sich vorlesen lassen –, als das im Rahmen der gelungenen Dichterlesung möglich war.
Erwin Fiesel