Englisch-Projekte,  Oberstufe

To be wet or to be wetter – that was the question!

Kurz bevor sich heimlich ein Jahrhundertunwetter im Raum Landshut anbahnte, stiegen 33 unerschrockene Schüler und vier noch unerschrockenere Lehrkräfte bei angenehmen Temperaturen in Mainburg in den Bus, einen schönen Theaterabend auf Burg Trausnitz in Landshut erwartend. Nach langer Zeit bot sich uns die Gelegenheit, wieder einmal die wunderbare Truppe der American Drama Group Europe (ADGE) in Aktion zu erleben, deshalb organisierte Her Reuß nach Erhalt der Ankündigung sofort diese kursübergreifende Fahrt. Der Klassiker Hamlet von Shakespeare stand auf dem Programm.

 

 

Und obwohl das Achtelfinale Deutschland – England lief, machten unsere fußballbegeisterten Mitfahrer gute Miene zum Spiel. Nur „ab und zu“ schauten sie während der Fahrt ins Handy….

 

 

 

Dann wurde jedoch das Schauspiel um uns herum schlagartig noch viel faszinierender. Der Himmel öffnete seine Schleusen, all hell broke loose und wir waren heilfroh, dass das Schlimmste überstanden schien, als wir eine halbe Stunde später hoch oben über den Dächern von LA in Bavaria heil ausstiegen.

 

Ein dickes Lob geht an dieser Stelle an unseren Chauffeur des Unternehmens Grüner, der uns in aller Ruhe – Zitat: „Ein Bus kennt kein Aquaplaning, der ist zu schwer!“- gegen die bergabwärts schnellenden Fluten in die sichere Höhe kutschierte. Noch wussten wir nichts davon, dass die Innenstadt von Landshut zu der Zeit bereits Klein-Venedig glich.

Bei leichtem Niederschlag erreichten wir schließlich den Innenhof der Burg, wo wir feststellen mussten, dass die noch mittags gegebene telefonische Zusage der Burgverwaltung, bei schlechtem Wetter den Theaterabend in den weißen Saal nach innen verlegen zu dürfen, kurzerhand nicht mehr galt. Angeblich wegen Corona. Unglaublich, wie sich in ein paar Stunden ein Versprechen ohne triftigen Grund komplett in Luft auflösen kann!

Absolut unverständlich für uns, insbesondere da unsere Gruppenmitglieder die einzigen Wagemutigen waren, die sich bis zum Vorstellungsort durchgekämpft hatten, abgesehen von vier anderen hartgesottenen Fans. Wir alle zusammen zählten also klar weniger als 50 Personen. Dieses willkürliche Verhalten des Burgchefs grenzt unserer Meinung nach im Angesicht des Unwetters an Fahrlässigkeit. Da waren die Gesichter ob der tristen Aussicht erst einmal lang.

 

Die Schauspieler der fantastischen Truppe ließen sich jedoch nicht entmutigen. Ganz im Gegenteil, sie stellten die verwehten Stühle flugs wieder auf, versorgten uns gratis mit Regenponchos, warfen sich ruck zuck in Schale und legten trotz wieder stärker gewordenem Regen los. Tapfer sprachen sie gegen die widrigen Wetterumstände an und obwohl es am Anfang für uns schwierig war, ins Stück zu finden und aufgrund des erhöhten Geräuschpegels – Rascheln der Ponchos und Tropfen auf der Kapuze – alles zu verstehen, so war nach einer Viertelstunde die Nässe (fast) vergessen und die meisterhafte Schauspielleistung der ADGE zog uns in ihren Bann. Trotz Regen, der ihm aus den Haaren in die Augen floss, und schlüpfrig nasser Bühne legte sich allen voran Dan Wilder, der den Übeltäter Claudius genauso grandios und leidenschaftlich gab wie den Geist des ermordeten Königs, für uns ins Zeug.

 

 

Alistair Hoyle sandte als Hamlet, verstört über das Treiben seiner Mutter an der Seite des Mörder seines Vaters, überzeugend verzweifelte Blicke gen Publikum und Himmel und ließ uns tief in seine verletzte Seele blicken, während Airlie Scott, in der Rolle seiner Mutter Gertrude, würdevoll die Ahnungslose mimte. Ophelia, die wohl berühmteste Wasserleiche der Literatur, zauberhaft verkörpert von Birte Widmann, war sprichwörtlich in ihrem Element. Und um es abzukürzen: Auch alle Unterstützerrollen waren perfekt besetzt, herauszuheben ist wohl dennoch Roger Parkin, der bereits als Hamlets Freund das Zuschauerherz beglückte, aber als Marionettenspieler im „Spiel im Spiel“ einen schier großartigen Auftritt hinlegte. Mit jeder Sekunde nahm unsere Begeisterung zu und die Magie des Stückes, wie gewohnt brillant inszeniert, entführte uns schließlich in eine andere Welt. Erst als alle Charaktere, ja, es überlebt nur eine treue Seele, endgültig dahingemeuchelt auf der Bühne lagen und pünktlich zum letzten gesprochenen Wort auf der Bühne, „silence“, ein weiteres Martinshorn in der Ferne erklang, wurden wir jäh in die nasse Realität zurückgebeamt. So laut wir konnten, applaudierten wir dennoch den Schauspieler*innen, für deren herausragende Leistung und Hingabe uns noch jetzt die Worte fehlen.

Zu guter Letzt kam Wilder, der mit seinen Kolleginnen und Kollegen im strömenden Regen für uns die Stellung gehalten hatte, sogar noch auf uns zu und bedankte sich dafür, dass wir zugesehen hatten. Bestgelaunt war er zu Scherzen und einem lockeren Gespräch aufgelegt und ließ sich später zusammen mit Airlie Scott mit unseren neu gewonnenen Fans ablichten, obwohl beide gerade nach dieser kräftezehrenden Vorstellung tropfnasse Stühle in einen Van luden und sich sicherlich nichts mehr als eine warme Dusche wünschten.

 

Wer sich da noch nach einem unspektakulären Fußballabend auf der Couch gesehnt hat, bei dem ein paar verwöhnte Multimillionäre mit Allüren ihre Allerwertesten nicht hoch und den Ball nicht ins Tor bringen, während die Fönwelle am Spielrand wieder einmal äußerst mutig bei einem Rückstand von zwei Toren defensiv einwechselt, dem ist einfach nicht mehr zu helfen! Zugegeben, unsere Fönwellen waren komplett hinüber und wir fühlten uns, als seien wir voll bekleidet in einen Pool gefallen – Regenponchos haben offensichtlich nur eine begrenzte Schutzfunktion – und klar, wir hatten uns den Abend zumindest etwas trockener vorgestellt, aber die Bescheidenheit, Nahbarkeit und Wärme, die uns am Ende noch vom „Königspaar“ entgegenschlug, die trotz Wind und Wetter für die nur 42 Gäste, statt der ca. 200 erwarteten, keine Mühe scheuten, verdient unseren absoluten Respekt und machte diesen Abend endgültig zu einem vollen Erfolg.

Ironischerweise hörte der Regen pünktlich auf, als wir den Heimweg antraten und ungläubig die Bilder der überfluteten Altstadt auf den Handys beäugten.

Fazit: Heldenhafte Schauspieler, heldenhaftes Publikum, heldenhafter Chauffeur. So wie wir, hat Hamlet mit Sicherheit noch niemand durchlebt!

Einfach nur danke, ADGE! Solange ihr spielt, sind wir dabei! Come hell or high water!

 

Text: C. Gratzer

Bilder: Luisa Hofbauer, Jessica Gratzer, Kacper Darowski, Joachim Reuß und Martin Wirthensohn