Deutsch-Projekte

„Leutnant Gustl“ zu Gast am GGM

Zum Inhalt der 1900 von Arthur Schnitzler veröffentlichten Novelle „Leutnant Gustl“:

Leutnant Gustl, Offizier im Dienste der k. und k.-Monarchie, verhält sich an der Garderobe eines Wiener Theaters rücksichtslos und beleidigt im Jähzorn den Bäckermeister Habetswallner. Doch dieser erstarrt nicht vor den Standesdünkeln des Militärs in Ehrfurcht, sondern schulmeistert den Leutnant leise als „dummer Bub“ und droht ihm den Säbel zu zerbrechen, was sich der feige Gustl, der dem Bäckermeister körperlich unterlegen ist, gefallen lässt.

 

Durch diesen Vorfall verändert sich das Leben Leutnant Gustls schlagartig: Er kommt zu der Überzeugung, sich selbst totschießen zu müssen, bevor der Ehrverlust stadtbekannt geworden ist, denn er glaubt nicht, dass der Bäckermeister die Blamage tatsächlich für sich behalten wird, wie dieser zugesichert hat. Gerade war er noch ein unbeschwerter Schlendrian, der sich von Müßiggang zu Müßiggang durchlaviert hat und nur für Kartenspiel, Kaffeehaus, Oper und Liebeleien lebte – jetzt plötzlich ist er getrieben von der Einsicht, sich bei Beginn des neuen Tages totschießen zu müssen. Entsprechend sind die Assoziationsfetzen und Gefühlsanwandelungen, die ihm nun in den Sinn kommen, ganz untypisch für ihn: Weinen müsste man können, aber man darf ja nicht; den Familienangehörigen, der aktuellen Gespielin schreiben – bloß was? Die einen waren immer nur gut genug, die neuen Spielschulden zu bezahlen, die andere nur ein „gelegentliches Vergnügen“, ganz ohne die Unannehmlichkeiten der Ehe. Schließlich findet er sich sogar in einer Kirche wieder, weiß aber nicht zu beten. Endlich durchzuckt ihn die Selbsterkenntnis, dass Sterben „wohl blöd machen müsse“ und er kehrt in das Fahrwasser seiner zweckfreien, dem unverbindlichen Genuss verpflichteten Existenz zurück: Mit vollem Bauche stürbe es sich besser, also zunächst noch einmal ins Kaffeehaus, um den vom Umherirren während einer ganzen Nacht strapazierten Magen zu beruhigen. Dort erfährt er von dem überraschenden Tod des Bäckermeisters, den unmittelbar nach dem Theater der Schlag getroffen hat.

 

Die Erleichterung Gustls ist riesig und er spekuliert in seiner Selbstherrlichkeit, dass wohl Gott selbst eingegriffen habe, wo er doch in einer Kirche gewesen sei, oder? In jedem Fall ist er sich sicher, noch am Nachmittag desselben Tages einen wegen Nichts bestellten Duellanten „zu Krenfleisch zu hauen“, insbesondere da dieser noch nie einen Säbel geführt hat und ihm körperlich unterlegen ist.

 

Erwin Fiesel

 

 

Eine Rezension zum Besuch von „Leutnant Gustl“: