Deutsch
Wohnst du noch oder liest du schon? Zum Deutschunterricht am GGM
„Klassikerausgaben sind schon mehr Möbel als Literatur“, spottete der französische Schauspieler und Regisseur Jacques Tati. Nun, wäre es ihm vergönnt gewesen, den modernen Literaturunterricht an bayerischen Gymnasien als Schüler mitzuerleben, wäre er wohl zu einem ganz anderen Schluss gekommen. Getragen von dem Wunsch, sowohl literarischen als auch pädagogischen Ansprüchen zu genügen, aber auch immer das Interesse der jungen Leserinnen und Leser berücksichtigend, machen wir uns viele Gedanken, holen Ratschläge ein und informieren uns über Neuerscheinungen und offizielle Empfehlungen, wenn wir Klassen Lektürevorschläge unterbreiten, sie zu Buchpräsentationen anregen oder bei Leseprojekten begleiten. Nicht zuletzt sind wir, die rund 30 Mitglieder der Fachschaft Deutsch, selbst begeisterte Bücherwürmer!
Außerdem: Im Vordergrund steht längst nicht mehr die rein auf die Verstandesebene gerichtete Analyse literarischer Werke, vielmehr geht es darum, den Jugendlichen auch einen emotionalen Zugang zu ermöglichen, kreative Erschließungsmethoden zu verwenden und sie immer wieder mit neuen Themen, Denkanstößen und Einsichten in das Wesen des Menschen und des menschlichen Miteinanders zu konfrontieren. Der Lehrplan schlägt dazu in sinnvoller Progression Rahmenthemen vor, die der jeweiligen Entwicklungsstufe angemessene Inhalte ermöglichen und alle Genres abdecken. In der Oberstufe sind die Schülerinnen und Schüler dann in der Lage, literarische Werke auch als Produkte bestimmter Geistesströmungen ihrer Zeit zu betrachten und mithilfe zahlreicher Analysewerkzeuge auf verschiedenen Ebenen zu deuten. Durch den steten Rückbezug auf heutige Gegebenheiten und das Beibehalten kreativer Erschließungstechniken verhindern wir, dass die Klassiker zu „Möbeln“ degradiert und nur mehr zum Abstauben hervorgeholt werden.
Darüber hinaus erschließt der Deutschunterricht zunehmend auch Sachtexte, eine Kernkompetenz des alltäglichen Lebens und Lernens: Welche Arten von Texten gibt es überhaupt? Wie kann man ihren Inhalt verstehen, gliedern und aufbereiten, etwa um etwas zu lernen oder ein Referat vorzubereiten? Welche Absichten hat der Autor oder die Autorin mit dem Verfassen des jeweiligen Textes verfolgt? Auch der gewaltigen Informationsflut, die Kindern und Jugendlichen in Zeitungen, Zeitschriften und dem Internet begegnet, können sie nur dann Herr werden, wenn sie gelernt haben, Texte rasch zu sichten, gekonnt auf Objektivität und Seriosität zu prüfen und zuverlässig Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden. Zudem sollen sie in der Lage sein, ihre eigene Meinung in Wort und Text überzeugend zu vertreten, um schließlich als selbständig denkende und überlegt handelnde Erwachsene ihr Leben gestalten zu können.
Und so bringt der Deutschunterricht im Verlauf von acht bzw. neun Jahren informierte Leser, kompetente Sprachverwender, geschickte Präsentatoren, versierte Diskutanten und ästhetisch geschulte Blicke hervor, denen es leicht fällt auch in Studium und Beruf erfolgreich zu sein und ein geistig erfülltes Leben zu führen. Das erhoffen wir für alle Schülerinnen und Schüler, die wir Deutschlehrer durch ihre Schulzeit begleiten dürfen.